Rap – Jugendszenen.com (2024)

Intro & History

Intro

Rap gehört zu den vier Grundsäulen der HipHop-Kultur und ist seit deren Kommerzialisierung zum populärsten HipHop-Element geworden (siehe Szeneprofil HipHop). Die Begriffe HipHop und Rap werden deshalb fälschlicherweise oft synonym verwendet. Korrekterweise bezeichnet der Ausdruck ‚HipHop‘ die (Jugend)Kultur als Ganzes, während ‚Rap‘ ausschließlich die sprachlich-musikalische Ausdruckform meint. Zwar ist vielen Szenegänger_innen die historische Verwurzelung des Rap in der HipHop-Kultur bekannt, dennoch nehmen viele v.a. junge Menschen Rap heute als eigenständige Musikrichtung, mit eigenen Diskursen, Medien und Akteur_innen wahr. Man kann deshalb von einer mehr oder weniger autarken Rap-Szene sprechen.

History

USA

Als Element der HipHop-Kultur entstand Rap in der New Yorker Bronx der 1970er Jahre. Der ohnehin ärmliche Stadtteil war damals geprägt von Bandenwesen, (Drogen)Kriminalität, Armut und Perspektivlosigkeit. Vielen afro- und lateinamerikanischen Jugendlichen blieb der Zutritt zu Freizeitangeboten, wie z.B. Discos oder Tanzschulen deshalb verwehrt. Aus dieser Not machten sie jedoch schnell eine Tugend und veranstalteten ihre eigenen, sogenannten ‚Block Partys‘. Auf ihnen entwickelten die DJs mit zwei Plattenspielern den HipHop-typischen ‚Breakbeat‘ zu dem getanzt (gebreakt -> Breakdance) und gefeiert wurde. Rapper_innen, oder damals ‚MCs‘ (=Masters of Ceremony) genannt, waren diejenigen Personen, die die Fähigkeiten der DJs kommentierten und versuchten, die Leute zum Tanzen zu bewegen. Dies geschah oft in Reimform und nach dem ‚call-and-response‘-Prinzip. Das heißt, der oder die MC wandte sich mit seiner/ihrer Ansage ans Publikum und dieses war aufgefordert zu antworten (z.B. MC: „Say hoo“, Publikum: „Hoooo!“ usw).

Der Begriff ‚rappen‘ stammt von dem englischen Verb ‚(to) rap‘ und bedeutet so viel wie plaudern, schwatzen. Manche übersetzen die Abkürzung Rap auch mit Rhythm and Poetry. Viele Muster und Techniken des Rap, wie z.B. das ‚call-and-response‘-Prinzip wurzeln in afroamerikanischen Traditionen. Der kommerzielle Durchbruch des Rap erfolgte in den USA im Jahr 1979 durch den Hit ‚Rapper’s Delight‘ der gecasteten Studioband ‚Sugerhill Gang‘, die jedoch nicht dem Block Party-Milieu entstammte und für entsprechend Unmut in der Szene sorgte. Seither entwickelten sich verschiedene Subgenres, die sich vor allem durch unterschiedliche thematische Schwerpunkte, aber auch regionale Besonderheiten auszeichnen. Der an der US-amerikanischen Westküste entstandene ‚Gangsta-Rap‘ ist z.B. bekannt für seine schonungslose Darstellung des Lebens auf der Straße, während Rap von der Ostküste (z.B. aus New York) lange Zeit für seine eher politische Ausrichtung bekannt war. Dieses Subgenre wird meist durch die Begriffe ‚Conscious-Rap‘, ‚Polit-Rap‘, oder auch ‚Message-Rap‘ bezeichnet. Als stellvertretend für Gangsta-Rap von der ‚Westcoast‘ kann zum Beispiel die Gruppe ‚N.W.A.‘ gelten. Ein Beispiel für politischen ‚Eastcoast‘-Rap wäre ‚Grandmaster Flash‘ oder die Gruppe ‚Public Enemy‘.

Die Unterteilung Ost vs. West, oder Gangsta-Rap vs. Politischer Rap ist natürlich verallgemeinernd und auch nur eine von vielen Trennlinien die man zur Unterscheidung verschiedener Rap-Formen ziehen kann. So gibt es beispielsweise auch den Rap aus den Südstaaten, genannt ‚Dirty South‘, oder Subgenres wie ‚Horrorcore‘, ‚Crunk‘ oder neuerdings ‚Cloud-Rap‘, die sich durch ihren je eigenen Sound, thematischen Schwerpunkt und Entstehungsgeschichte auszeichnen.

Deutschland

In den 1980er Jahren erreichte die HipHop-Kultur und damit auch Rap schließlich Deutschland. Vor allem in Gegenden in denen US-amerikanische Soldaten stationiert waren, z.B. in Heidelberg, bildeten sich schnell kleine Rap-Zentren heraus. Weil Rap ursprünglich als Sprachrohr marginalisierter Jugendlicher fungierte, fanden sich anfangs vor allem junge Menschen der ersten Gastarbeiter-Generation in der HipHop-Kultur wieder und begannen auf Englisch oder der jeweiligen Herkunftssprache zu rappen. Wichtige Rap-Pionierarbeit leisteten zum Beispiel die Gruppen ‚Fresh Familee‘ oder ‚Advanced Chemistry‘. Der kommerzielle Durchbruch des Rap gelang in Deutschland im Jahr 1992 aber nicht den eigentlichen Pionier_innen, sondern der Gruppe ‚Die Fantastischen Vier‘ mit ihrem Hit ‚Die da!?!‘. Weil die vier Stuttgarter vormals kaum im Bereich HipHop in Erscheinung getreten waren, beäugten viele Szeneangehörige diesen Erfolg kritisch.

Seit den 1990er Jahren hat sich Rap über ganz Deutschland verbreitet und dabei – ähnlich wie in den USA – unterschiedliche Spielarten und lokale Zentren ausgebildet. Dazu gehören zum Beispiel Gangsta-Rap, Straßen-Rap oder poppigere Varianten des Rap, wie etwa der von Rapper ‚Cro‘. Obwohl sich ein Großteil der Musikszene im sogenannten ‚Untergrund‘ abspielt, gehört Rap heute zu den erfolgreichsten Musikgenres in Deutschland. Vor allem Rapper wie ‚Sido‘ oder ‚Bushido‘ erlangten größeren Bekanntheitsgrad und können sich durch Rapmusik ihren Lebensunterhalt verdienen.

Strukturen, Fakten & Relations

Strukturen

Die Rap-Szene kann man z.B. historisch, thematisch oder auch regional strukturieren. Allgemein gilt, dass Rap global und insbesondere im urbanen Raum praktiziert wird. Die deutschen Rap-Zentren der 1990er Jahre kann man grob entlang einer Nord-Süd-Achse lokalisieren. In Städten wie Kiel, Hamburg, Heidelberg oder München rappte die erste Generation, auch ‚Alte Schule‘ genannt, vorwiegend über politische und soziale Themen (z.B. ‚Advanced Chemistry‘, ‚Cora E.‘). Bei der darauffolgenden Generation von Rapper_innen lag das Hauptaugenmerk vor allem auf dem Spaß an Reimen, Wort- und Sprachspielen. Beispiele für diese ‚Neue Schule‘ sind Gruppen wie ‚Freundeskreis‘, ‚Fettes Brot‘, ‚EinsZwo‘ oder ‚Die Absoluten Beginner‘. Etwa ab der Jahrtausendwende verlagerte sich die deutsche Rap-Achse dann in die Horizontale. Vor allem das Ruhrgebiet und Berlin, aber auch Städte wie Frankfurt sind seither wichtige Zentren der Rap-Szene. Mit dieser regionalen Verlagerung änderten sich auch die Inhalte. Die Texte wurden aggressiver, die Stimmung düsterer. Subgenres wie der Battle-Rap, Gangsta-Rap und Straßen-Rap entwickelten sich und zählen zu den aktuell erfolgreichsten Spielarten des Rap in Deutschland.

Eine weitere Unterteilung der Szene kann man entlang der Unterscheidung zwischen ‚Underground‘ und ‚Mainstream‘ vornehmen. Viele Szenegänger_innen stehen der Kommerzialisierung von Rap kritisch gegenüber. Erfolgreichen Rapper_innen, die Verträge bei großen Plattenfirmen unterzeichnen, wird deshalb oft ‚Sell-out‘ vorgeworfen, was so viel bedeutet wie ‚seine/ihre Ideale verkauft‘ zu haben. Entsprechend honoriert wird szeneintern die Gründung von unabhängigen Plattenfirmen (‚Independent Labels‘). Immer wieder verbuchen solche unabhängigen Firmen große kommerzielle Erfolge, zum Beispiel das Berliner Label ‚Royal Bunker‘ um die Jahrtausendwende oder aktuell das Stuttgarter Label ‚Chimperator Productions‘.

Fakten

Die Größe der Rap-Szene ist schwer festzustellen. Weder gibt es einen festen Kern, noch würde sich jede_r, der/die Rapmusik hört, als Anhänger_in der Rap-Szene bezeichnen. Insgesamt kann man festhalten, dass es deutlich mehr Rezipient_innen als Produzent_innen von Rap gibt. Zur Rap-Szene gehören aber nicht nur Rapper_innen und Fans der Musik. Auch Produzent_innen (z.B. von Beats), Labelbesitzer_innen, Musikmanager_innen oder Musikjournalist_innen sind Teil der Szene. Rapmusik ist eines der beliebtesten Musikgenres in Deutschland. Die kommerziell erfolgreichsten Rapper_innen und Rap-Gruppen seit den ‚Fantastischen Vier‘ in den 1990er Jahren sind z.B. ‚Sabrina Setlur‘, die Stuttgarter Rapper von ‚Freundeskreis‘ oder die Rapper ‚Cro‘, ‚Bushido‘, oder auch ‚Kollegah‘. Sie alle verkauften mehr als 200.000 Platten. Neben traditionellen Plattenverkäufen gewinnt heute zunehmend auch das Internet an Bedeutung. So bemisst sich die szeneinterne Anerkennung von Rapper_innen mittlerweile stark über Klickzahlen (z.B. auf Youtube) oder die Größe der Anhängerschaft in Sozialen Medien wie Facebook.

Die Rap-Szene ist insgesamt sehr heterogen. War sie anfangs noch eher männlich und migrantisch geprägt, so änderte sich mit der Entwicklung verschiedener Subgenres und Themenschwerpunkte auch die Zusammensetzung der Szene. Neben dem weiterhin eher maskulin und migrantisch geprägten Formen des Gangsta-oder Straßen-Rap, existiert eine breite Palette von Rap-Arten, in der Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Herkunft oder politischer Gesinnung, Anknüpfungspunkte finden. So gibt es in Deutschland neben linkspolitischem Rap, auch den sogenannten Hipster- oder Emo-Rap, womit (oft etwas abfällig) poplastige Formen von Rap gemeint sind. Relativ neue Subgenres sind auch ‚Trap-Rap‘ oder ‚Cloud-Rap‘. Letzterer zeichnet sich v.a. durch atmosphärische Beats und teils absurde, sehr reduzierte Texte aus. Im Allgemeinen spricht Rap eine eher junge Zielgruppe, etwa zwischen 14 und 34 Jahren, an. Vor allem auf Seite der Produzent_innen liegt der Altersdurchschnitt jedoch wesentlich höher, weshalb die Bezeichnung ‚Jugendkultur‘ bei der Rap-Szene insgesamt zu kurz greift. Die Tatsache, dass Rap in Deutschland bereits seit über 35 Jahren produziert, gelebt, konsumiert und rezipiert wird, hat auch eine Ausweitung der Altersspanne zur Folge. Viele Vertreter_innen der ersten und zweiten Rap-Generation sind mittlerweile weit über 40 Jahre alt und sozusagen mit der Rap-Szene ‚mitgewachsen‘.

Leider gibt es immer wieder auch Interpret_innen, die versuchen nationalistische Inhalte durch Rap zu verbreiten. Dieser sogenannte ‚NS-Rap‘ oder ‚Nazi-Rap‘ ist jedoch ein Randphänomen und wird von einem Großteil der Szene kaum oder kritisch wahrgenommen.

Relations

Weil Rap eine globale Ausdrucksform ist und ursprünglich in den USA entstand, genießt die US-amerikanische Rap-Szene eine gewisse weltweite Reputation. Kollaborationen mit Künstler_innen aus den Vereinigten Staaten werden deshalb oft besonders honoriert. Außerdem bestehen – je nach regionaler Lage – meist gute Kontakte zu benachbarten Szenen, in Südwestdeutschland zum Beispiel zum französischen Rap.

Es gibt aber auch Überschneidungen mit anderen Musikgenres. Weil viele Rap-Techniken auf afroamerikanische Traditionen zurückgehen, gab es von Anfang an Berührungspunkte und Zusammenarbeit mit Elementen aus Jazz und Blues, sowie der Reggae-, Ragga- oder Dancehall-Szene. Ein Beispiel hierfür ist Jan Delay a.k.a Jan Eißfeld, der Rap mit Reggae- und Funk-Elementen kombiniert. Klassische Kollaborationen im Bereich Rap gibt es außerdem immer wieder mit Genres wie Soul und R&B. Seit seiner Kommerzialisierung gibt es aber auch neue, eher untypische Mischformen. So feierte das Rap-Duo ‚Die Atzen‘ große Erfolge, indem es Rap mit elektro- und technolastiger Partymusik kombinierte.

Auch wenn die Rap-Szene zunehmend als eigenständige Szene verstanden werden kann, spielen die übrigen Elemente der HipHop-Kultur nach wie vor eine große Rolle. Viele Rapmusik-Videos spielen mit der Ästhetik von Graffiti oder visualisieren Tanzformen aus dem Breakdance. Viele Rapper_innen sind außerdem ehemalige Graffiti-Writer_innen oder praktizieren beide Ausdrucksformen gleichzeitig. Auch im Bereich Breakdance ist Rap eine der beliebtesten Musikrichtungen.

Die Rap-Szene weist auch unabhängig von Musik Schnittmengen mit anderen Szenen auf. Was den Kleidungsstil betrifft, orientiert sie sich – ähnlich wie die Skater-Szene – zum Beispiel an Streetwear-Markenkleidung.

Fokus, Einstellung und Lifestyle

Fokus

Beim Rap geht es ursprünglich vor allem darum gut zu performen und einen eigenen Style zu entwickeln. Dieser Style sollte originell und möglichst einzigartig sein, so dass er sich von dem anderer Rapper_innen abhebt und Wiedererkennungswert hat. Das Ziel beim Rappen ist es, Anerkennung (‚fame‘) und möglichst viel Zuspruch (‚props‘) aus der Szene zu bekommen. Nicht erst seit der Kommerzialisierung von Rap steht aber auch das Kreieren von Images und der monetäre Aspekt der Musik im Fokus.

Eine_n gute_n Rapper_in bemisst man an seinen/ihren Rap-Fähigkeiten (‚skills‘). Er oder sie sollte möglichst ‚Flow‘ haben, d.h. einen rhythmisch-harmonischen und flüssigen Reimstil besitzen. Oberstes Kriterium im Bereich HipHop und auch in der Rap-Szene ist und bleibt der Aspekt der Authentizität (‚Realness‘). Ein_e Rapper_in muss ‚real‘ sein, d.h. das was er oder sie erzählt sollte glaubwürdig sein. Wem das nicht gelingt oder wer gar einen anderen Style kopiert, der genießt keinen Respekt und wird schnell als ‚fake‘ abgestempelt. Die Qualität eines Raps muss man im Kontext der jeweiligen Spielart betrachten. Beim sogenannten Battle-Rap zum Beispiel, geht es vor allem um die verbale Vernichtung des Gegenübers (‚dissen‘). Hier sollte man dementsprechend über Wortwitz, passende Metaphern und eine saubere Technik (siehe: ‚Flow‘) verfügen. Auch die Fähigkeit besonders schnell zu rappen (z.B. ‚Doubletime‘) wird von der Rap-Szene insgesamt wertgeschätzt. In anderen Subgenres, z.B. dem Conscious-Rap, setzt man eher auf narrative Elemente und gehaltvolle Inhalte. Zugunsten einer ‚Message‘ wird hier oft weniger Wert auf komplexe Reimstrukturen gelegt. Es gibt aber auch Spielarten, in denen der eigentliche Rap eine untergeordnete Rolle spielt und es mehr um den Sound oder besonders ansprechende, z.B. harte oder atmosphärische Bässe geht. Beispiele hierfür sind zum Beispiel ‚Trap‘- oder ‚Cloud‘-Rap.

Einstellung

Die Rap-Szene – vor allem viele ihrer älteren Vertreter_innen – orientiert sich zu großen Teilen am Normen- und Wertesystem der HipHop-Kultur, aus der heraus sie sich ursprünglich entwickelt hat. Als Ghetto-Kultur und Sprachrohr der Marginalisierten wurden via Rap bereits sehr früh politische und soziale Missstände thematisiert. Für viele handelt es sich bei Rap deshalb um ein grundsätzlich politisches, antirassistisches Ausdrucksmittel. Besonders Spielarten wie der ‚Gangsta-Rap‘ (re)produzieren außerdem das Narrativ des ‚Großstadtkämpfers‘ und die Perspektive, durch Ausübung von Gewalt und Anhäufung von Reichtum den sozialen Aufstieg zu schaffen. Materialismus, aber auch (neoliberales) Leistungsdenken, sind Einstellungen die sich daraus u.a. ergeben und die von vielen Szenegänger_innen des Rap geteilt werden.

In der zahlenmäßig männlich dominierten Rap-Szene herrscht weiterhin ein eher traditionelles, teilweise gar vitalistisch-aggressives Männlichkeitsideal vor. Entstanden im Kontext der Gangkultur, legt die Rap-Szene bis heute großen Wert auf Gemeinschaftsgefühle wie Zusammenhalt und Loyalität innerhalb der (oft maskulin geprägten) ‚Crew‘ oder ‚Posse‘. Dies geht auch mit der Abgrenzung und Abwertung anderer Gruppen einher, woraus sich nicht selten hom*ophobe, sexistische oder antisemitische Inhalte ergeben.

Auch Respekt und die Wertschätzung von Legenden und Pionier_innen der Kultur, gehört zum klassischen Wertekanon der Szene.

Insgesamt muss man festhalten, dass es nicht ‚die‘ Einstellung der Rap-Szene gibt. Man positioniert sich mehr oder weniger in Abhängigkeit von Subgenre und ideologisch-historischer Zuordnung. Wer mit dem Conscious- Rap sympathisiert, sich dem linkspolitischen Spektrum zuordnet oder ein_e Verfechter_in der ‚Alten Schule‘ ist, für den/die ist Rap untrennbar mit HipHop und einer entsprechenden ganzheitlichen Einstellung verbunden. Für viele jüngere Rap-Fans oder solche, die mit Battle-und Gangsta-Rap sozialisiert sind, spielt Tradition und der Kultur-Gedanke oft keine so große Rolle mehr. Stattdessen wird Rap heute wieder mehr mit Spaß, Lifestyle und hedonistischen Aspekten in Verbindung gebracht und als Partymusik gefeiert.

Wie in der deutschen Gesamtgesellschaft auch, gibt es in der Rap-Szene auch sexistische, hom*ophobe und antisemitische Tendenzen. Diese hielten vor allem seit der Jahrtausendwende und dem Erfolg von Battle-, Gangsta- und Straßen-Rap vermehrt Einzug in die Szene.

Lifestyle

Ähnlich wie die Einstellung, hängt der Lifestyle der Rap-Szene davon ab, mit welchem Subgenre man sympathisiert und mit welcher ‚Lesart‘ von HipHop man sozialisiert wurde. Für viele Angehörige der ersten HipHop-Generation ist Rap unwiderruflich mit der HipHop-Kultur verbunden und mehr als nur ein Musikgeschmack. Der HipHop-Wertekanon ist dementsprechend Teil der eigenen Identität und in die eigene Sprache, das Denken und den Habitus übergegangen. Wer in den 1990ern oder später geboren ist, oder mit den ‚härteren‘ Formen von Rap aufgewachsen ist, setzt oftmals andere Prioritäten. Insgesamt kann man festhalten, dass Konsumobjekte seit der Kommerzialisierung von Rap stark an Bedeutung gewonnen haben. Auch wenn es ‚den‘ typischen Rap-Lifestyle so nicht gibt, schätzen viele Szenegänger_innen – zumindest theoretisch – teure Autos oder Markenkleidung und Accessoires. Als typische optische Erkennungszeichen gelten ferner weite Hosen (‚Baggypants‘), Turnschuhe (‚Sneakers‘) oder Cappys. Auch Lederjacken und Kapuzenpullis gehören zum Dresscode der Rap-Szene. In besonders maskulin dominierten Subgenres wie dem Gangsta-Rap ist auch ein Trend zur körperlichen Selbstoptimierung zu beobachten. Regelmäßiges Sport treiben, bevorzugt Kampfsportarten, gehört für viele männliche Anhänger der Rap-Szene ebenso dazu, wie ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild.

Ein konstitutiver Bestandteil des Lifestyles der Rap-Szene ist auch das gemeinschaftliche Abhängen (‚chillen‘), zum Beispiel um Rapmusik zu hören oder zu produzieren. Auch der Konsum weicher Drogen wie Gras gehört dabei für viele dazu. Mit dem Aufkommen ‚härterer‘ Subgenres wie Gangsta- oder Straßen-Rap erhielt auch Kokain verstärkt Einzug in die Szene. Außerdem wird seit einiger Zeit dem Opiat Codein gefrönt, ein Trend der von der US-amerikanischen Rap-Szene übernommen wurde.

Symbole & Rituale

Symbole

Die Rap-Szene verfügt über zahlreiche Zeichen und Codes, die sich stark an den Symbolen der HipHop-Kultur orientieren. Typische Distinktionsmerkmale, an denen man die Zugehörigkeit zur Szene ablesen kann, sind neben einer bestimmten Kleidung, auch die Sprache/das Vokabular und der allgemeine Habitus. Zum Rap-Dresscode gehören nach wie vor eher weite Klamotten, z.B. die Baggypants, aber auch Turnschuhe (‚Sneakers‘), Kapuzenpullis oder Cappys sind zeitlos beliebt. Neben den Sportmarken Adidas und Nike, tragen Rap-Szenegänger_innen besonders gerne Streetwear-Klamotten, z.B. von Marken wie Rocawear, New Era, Pelle Pelle oder Picaldi. Auch die eher mit der Skater-Szene assoziierten Marken Carhartt oder Dickies gehören zum klassischen Dresscode des Rap.

Durch die Etablierung neuer Subgenres wie den sogenannten Emo-Rap oder Hipster-Rap, hat sich der Kleidungsstil der Rap-Szene zunehmend ausdifferenziert, so dass auch das Tragen engerer Kleidung (z.B. Röhrenjeans) anzutreffen ist. Durch die zuweilen materialistische Prägung der Szene gehören auch Statussymbole wie teurer Schmuck oder Autos zu ihren Erkennungszeichen. Vielen Raptexten ist hier eine besondere Vorliebe für Marken wie Gucci und Versace, sowie für Fahrzeuge des Automobilherstellers Mercedes zu entnehmen. Männlichkeit und Härte wird in Rap-Formen wie dem Gangsta-Rap außerdem durch die Präsentation von Waffen oder Kampfhunden symbolisiert.

Weil Rap ursprünglich aus dem US-amerikanischen Raum stammt, zeichnet sich die globale Rap-Sprache durch einen hohen Anteil an Anglizismen aus (z.B. ‚Flow‘, ‚Skills‘ oder ‚Battle‘). Außerdem gibt es zahlreiche Slang-Begriffe und Überschneidungen mit anderen Sprachvarietäten, zum Beispiel mit der Jugendsprache. Auch Entlehnungen aus dem türkischen oder arabischen Sprachraum, sowie dem Drogenmilieu, gehören zu den sprachlichen Erkennungszeichen der deutschen Rap-Szene.

Schließlich wird im Bereich des Rap auch non-verbal kommuniziert. Besonders hervorzuheben sind hier spezifische Handgesten bei der Begrüßung und Verabschiedung von Gleichgesinnten, oder auch bestimmte Gangzeichen oder eine regionale Herkunft, die durch das Überkreuzen bestimmter Finger angezeigt wird (etwa ein ‚E‘ für Eastcoast bzw. Osten oder ein ‚W‘ für Westcoast bzw. Westen).

Rituale

Der Wettkampfgedanke durchzieht fast alle Elemente der HipHop-Kultur und auch im Rap ist das sogenannte ‚battlen‘ (von ‚battle‘, engl. für Kampf) ein zentrales Prinzip. Ein ‚Battle‘ kann live vor einer Jury und einem Publikum, aber auch in schriftlicher Form, z.B. in einem Online-Forum stattfinden. Je nach Regelwerk ‚performt‘ man ‚freestyle‘ (d.h. spontan improvisiert), oder bereits verschriftlichte Texte. Allgemein gilt: Wer die besseren Reime, die kreativeren Vergleiche und die versiertere Rap-Technik hat, gewinnt. Dabei geht es zumeist weniger um Geld, als vielmehr um Anerkennung (‚fame‘) in der Szene. Das Ritual des verbalen Wettstreits geht dabei auf afroamerikanische Traditionen (z.B. playin‘ the dozens) zurück. Durch das Battle-Prinzip versuchte man ursprünglich auch Streitigkeiten im Gangwesen zu kanalisieren und Gefechte mit Worten, anstatt mit Fäusten auszutragen.

Ein weiteres typisches Ritual im Rap ist das bereits erwähnte ‚freestylen‘. Dabei geht es vor allem darum, spontan zu reimen und dabei bestmöglichst auf die jeweilige Situation einzugehen, etwa lyrisch auf die Klamotten eines Anwesenden Bezug zu nehmen. Gefreestylt wird traditionell im Rahmen sogenannter HipHop-Jams oder bei eigenen Rap-Veranstaltungen. Dort gibt es beim ‚Open Mic‘ die Möglichkeit, seine Fähigkeiten vor Publikum unter Beweis zu stellen. Weniger offiziell findet man sich auch spontan im Rahmen einer sogenannten ‚Cypher‘ zusammen. Ursprünglich bildet man dabei eine Art Kreis und performt abwechselnd reihum. Es gibt Rapper_innen die sich besonders durch ihre Freestyle-Fähigkeiten hervorgetan haben, zum Beispiel ‚MC Rene‘, ‚David P.‘, ‚Samy Deluxe‘ oder ‚Laas Unltd‘.

Events, Treffpunkte & Medien

Events

Klassischerweise trifft sich die Rap-Szene auf sogenannten HipHop-Jams. Diese traditionellen Veranstaltungen vereinen meist alle Elemente der HipHop-Kultur, d.h. es gibt Graffiti-Aktionen, Breakdance-Battles, Beatbox-Wettkämpfe und immer auch eine Bühne, auf der gerappt wird. HipHop-Jams fanden in den 1990ern oft in Jugendzentren und ähnlichen Einrichtungen statt. Sie dienten vor allem der Vernetzung der Rap-Szene untereinander. Seit der Kommerzialisierung der Rapmusik und dem Siegeszug des Internets kamen neue Veranstaltungsformen dazu. So trifft man sich heute auch auf eigens organisierten Battle-Rap-Events in Clubs oder Diskotheken, oder nimmt online an sogenannten Video-Battle-Turnieren teil.

Natürlich gehören auch Konzerte und Festivals zu den Events der Rap-Szene. Seit 1998 kommt man beispielsweise jährlich auf Europas größtem HipHop-Festival dem ‚Splash!‘ in Sachsen, bzw. Sachsen-Anhalt zusammen. Teile der Rap-Szene treffen sich aber auch zu anderen Anlässen. Vor allem in größeren Städten gibt es immer wieder Podiumsdiskussionen oder Workshops, auf denen so wichtige Themen wie Sexismus im Rap diskutiert werden. Außerdem gibt es Zusammenschlüsse, die sich speziell der Vernetzung und Sichtbarmachung von Frauen im Rap verschrieben haben.

Treffpunkte

Wo, wann und ob sich Angehörige der Rap-Szene treffen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Interessiert man sich für Battle-Rap oder das Freestylen, so kann man sich zum Beispiel an einem Online-Battle-Turnier beteiligen oder eine klassische HipHop-Jam besuchen (siehe Events). Um Gleichgesinnte zu treffen oder sich über das aktuelle Geschehen zu informieren, ist man heute insgesamt weniger auf physische Orte, wie z.B. Plattenläden angewiesen. Ein Großteil des Szene-Diskurses findet im digitalen Raum, etwa in Internetforen (z.B. www.mzee.com), auf Videoportalen (z.B. Youtube) oder via soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter statt. Getroffen wird sich also verstärkt online.
Weitere Treffpunkte der Rap-Szene sind die bereits genannten HipHop-Jams, sowie Konzerte, Festivals, Clubs oder auch mal die Autogrammstunde eines/einer Rappers/Rapperin. Natürlich trifft man sich auch privat um mit der Clique zu chillen, Rapmusik zu hören oder Texte zu schreiben. Um Songs zu produzieren und einzurappen, kommen Rapper_innen außerdem im Aufnahmestudio zusammen.

Medien

Die Rap-Szene nutzt zahlreiche Medienformate um sich zu vernetzen und zu informieren. HipHop-Magazine wie die ‚Juice‘ oder ‚Backspin‘ zählen seit Mitte der 1990er Jahren zu den zentralen Szenemedien und widmen einen Großteil ihrer Inhalte dem Rap. Auch das Fernsehen, insbesondere die Musiksender MTV und Viva spielten zu dieser Zeit eine große Rolle. Formate wie ‚Yo! MTV Raps‘ oder später ‚Fett MTV‘ dienten in analogen Zeiten als Fenster zur Rap-Welt und boten Einblicke in die amerikanische oder französische Szene. Seit dem Siegeszug des Internets hat sich die Kommunikation der Rap-Szene zu großen Teilen in die digitale Sphäre verlagert. Zahlreiche online-Plattformen, wie www.rap.de oder www.16bars.de berichten seitdem über das aktuelle Geschehen in der Szene, rezensieren Alben oder informieren über aktuelle Veranstaltungen. Auch über das Videoportal Youtube und soziale Medien wie Facebook oder twitter findet ein Großteil des Szenediskurses statt.

Seit seiner Kommerzialisierung hat Rap aber auch in Medien ohne Szenebezug einen festen Platz. Das Spektrum der Berichterstattung reicht dabei von wohlwollender Hommage in Feuilletons, bis hin zur Skandalisierung von Gangsta-Rapper_innen in Boulevard-Medien. Einige besonders erfolgreiche Rapper_innen haben außerdem eigene Biografien veröffentlicht, im Falle von ‚Bushido‘ sogar im Rahmen eines Kinofilms.

Rap – Jugendszenen.com (2024)
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Author: Dan Stracke

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